Was ist schwieriger: meine Feinde zu lieben, oder mir keine Sorgen zu machen? Hmm. Meinen Nächsten zu lieben ist mir oft schon schwer genug, auch wenn das aus einem selbstgerechten Blickwinkel oft nicht so scheint. An "Feinde" denke ich nicht so viel. Und Sorgen? Sollte ich mich nicht kümmern, um das was vor mir liegt? Ist das "Nicht-sorgen" wirklich ein Gebot? Warum gibt es eigentlich „Gebote“? Ich denke, es geht meistens um die Vermeidung von Gefahren oder Gefährdungen, wie z.B. ein Tempo-30 Gebot in einer Straße mit vielen Fußgängern. Es geht um Schutz. Auch um die Vermeidung von Ungerechtigkeit und Betrug. Z.B. das Gebot nicht zu stehlen, nicht zu lügen, nicht zu töten. Es geht um friedliches Zusammenleben. Es geht darum, bösen Absichten keinen Raum zu geben. Aber trifft das auch auf das „Sorgen“ zu? Warum sagt Jesus folgendes:
„Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer tägliches Leben […] Können all eure Sorgen euer Leben auch nur um einen einzigen Augenblick verlängern? Nein. Und warum sorgt ihr euch um eure Kleider? Schaut die Lilien an und wie sie wachsen. Sie arbeiten nicht und nähen sich keine Kleider. […] Euer himmlischer Vater kennt eure Bedürfnisse. […] Die Sorgen von heute sind für heute genug.“ (Die Bibel, auszugsweise aus Matthäus 6,25-33. NLB)
Ich würde das manchmal gerne so auslegen: „Wenn du im Wohlstand lebst, wenn alle deine Pläne gelingen, wenn es deiner Familie gut geht und alle gesund sind, dann mache dir keine Sorgen“. Eigentlich geht es doch nur darum, dass alles gut läuft, dass ich genug habe und meine Familie, dass Pläne umgesetzt werden. Vielleicht habe ich sogar schlaflose Nächte, weil ich mich für Gerechtigkeit einsetze, dafür, dass der Wille Gottes auf der Erde geschieht. Gute Absichten, Nachhaltigkeit, vorausschauendes Handeln. Das ist doch alles gut!
Paulus schrieb ein paar Jahrzehnte nach Jesus ebenfalls über das Sorgen und scheinbar hatte er den Gewinn hinter diesem Gebot Jesu entdeckt. Er fügt dem Aufruf, sich nicht zu sorgen, folgende Konsequenz hinzu:
„Dann wird der Frieden Gottes, der weit über alles menschliche Planen hinausführt, über euren Gedanken wachen und
euch in eurem Innersten bewahren – euch, die ihr mit Jesus Christus verbunden seid.“ (Die Bibel, Philipper, 4,7. NGÜ)
Es geht also nicht um die Vermeidung von Gedanken über die Zukunft, sondern darum, dass diese Gedanken bewacht oder „bewahrt“ werden. Oft beherrschen die Gedanken mich, denn trotz meiner Wünsche und Pläne weiß ICH nicht, was die Zukunft bringt. Meine Gedanken übernehmen die Kontrolle, wägen ab und malen mir Illusionen oder Dramas auf die innere Leinwand. Sorgen machen mich rastlos.
Frieden
scheint mir attraktiver. Im Frieden ruhe ich. Laut Paulus werden meine Gedanken im Frieden bewahrt, wenn ich meine Sorgen Gott abgebe. Das heißt nicht, dass ich keine Pläne mache, nicht, dass ich keine Ziele verfolge, sondern, dass ich sie in Gottes Hand lege. Nicht mehr meine Gedanken beherrschen mich, sondern meine Gedanken werden bewahrt im Frieden Gottes.
Bei allem was ich tue über meine Träume, Ziele und Pläne zu grübeln, ist der verzweifelte Versuch, meine Zukunft im Griff zu haben, angetrieben durch die vermeintliche Hoffnung, dass ich dann, wenn das alles gelingt, Frieden finden werde. Doch es gibt keine Sicherheit, keine Garantie, dass meine Pläne zustande kommen, egal, wie viel ich denke und abwäge. Auch, ob ich dann Frieden finde, weiß ich nicht. Aber jetzt - jetzt wird mir Frieden, innere Gelassenheit, angeboten, für den Moment, für heute, mitten in der Ungewissheit. Dann, wenn ich das Sorgen loslasse. Schon David schrieb im Psalm 23 über das Ruhen an der Seite des Hirten:
„[Du, Gott,] füllst meinen Becher bis zum Rand“
(Psalm 23,5 HFA)
Heute arbeite ich an einem Ziel - das ist gut. Und genug für heute. Morgen ist ein neuer Tag, dann kann ich weiter daran arbeiten. Und bis dahin ruhe ich, bin dankbar für heute - und genieße. Ich lass die leere Tasse stehen und leg los. Voll gelassen.